Die Liebe zum Kind darf wachsen! Und du musst deswegen kein schlechtes Gewissen haben!

Eine Mutter hält ein Baby in ihren Armen.
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Nele Hillebrandt

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„Vom ersten Moment an, war ich unsterblich verliebt!“, „Ich habe noch nie so eine unbeschreibliche Liebe empfunden, wie in dem Moment, als man mir mein Kind auf den Bauch legte.“.

Solche Sätze liest oder hört man oft, wenn man über Babys spricht. Was man nicht hört: Dass es auch ok ist, wenn die Liebe zum Kind erst mit der Zeit wächst!

Unsere Geschichte

Als der Babyjunge mir auf den Bauch gelegt wurde, fühlte ich vor allem eins: unglaubliche Erschöpfung. Und die Nabelschnur, die sich so unangenehm spannte, aber das ist eine andere Geschichte.

Im Kreissaal, als ich nach der Geburt genäht wurde, starrte ich unseren Sohn die ganze Zeit ungläubig an und mein Kopf war völlig leer. Es war kein Platz für Worte und ich war einfach nur wahnsinnig verblüfft über dieses kleine Menschlein. In dieser Nacht tat ich kein Auge zu. Mein Sohn lag auf meiner Brust, schlief seelenruhig und ich konnte meine Augen einfach nicht von ihm abwenden. Ich war völlig überwältigt. Aber diese Gefühle würde ich nicht als Liebe zum Kind bezeichnen. Es war mehr eine irrwitzige Mischung aus Erstaunen, Überwältigung, Verwirrung, Erschöpfung, Schmerzen und ein Hormoncocktail, der wahrscheinlich einen Elefanten umgehauen hätte.

Die ersten Tage vergingen, die Schmerzen nahmen ab, die Überwältigung zu. Mein Baby erschien mir so unglaublich zerbrechlich, ein Wunder, das so wertvoll schien und mich gleichzeitig an den Rande des Wahnsinns trieb. Ob ich dieses kleine Wesen liebte? Sicher. Vielleicht. Irgendwie ja und irgendwie nein. Denn das, was ich da in meinen Armen hielt, das war mir so vertraut und unbekannt zugleich.

9 Monate habe ich dieses Wesen in mir getragen. Die Vorstellung von ihm geliebt. Seiner Ankunft auf unserer Welt entgegengefiebert. Als er dann ankam, war es wie eine Sturmflut, die über mich hereinbrach. Die alles wegspülte, was ich bisher kannte, die mich verwundbar und völlig erschöpft zurück ließ. Und als sich das Wasser langsam zurück zog und ich wieder Kraft hatte mich umzusehen, mein Leben zu sortieren, da war nichts mehr wie es war. Es war, als hätte das Wasser weggespült, was nur oberflächlich war und zurück geblieben ist die Erkenntnis, dass ab jetzt alles anders sein würde.

Die Liebe zu meinem Kind wuchs wie ein Baum aus einem Samenkorn wächst: Nach der Flut war da plötzlich dieses kleine Pflänzchen. So klein und zart, so empfindlich. Am Anfang konnte ich kaum mehr als einen Tag nach den anderen überstehen. Ich war so verwundet, so erschüttert, dass da kaum Raum war für diese Pflanze. Doch mit den Tagen und Wochen wuchsen wir gemeinsam: Mein Sohn wurde größer, ich wurde stärker, das Pflänzchen robuster.

Jetzt, 3 Monate später, weiß ich, was Eltern meinen, wenn sie sagen, dass die Liebe zum Kind unbeschreiblich ist. Unendlich. Ich sehe unseren Sohn an und weiß, dass es ok ist, dass diese Liebe gewachsen ist. Dass ich mir und ihm Zeit gegeben habe. Er musste erst mal auf dieser Welt ankommen und ich bei ihm. Es ist ok, wenn die Gefühle erst mal unklar sind. Wir uns und unser Leben neu sortieren müssen. Wir Angst vor dieser neuen Zukunft haben. Und wir uns manchmal Fragen, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben.

Die Liebe zum Kind ist wandelbar

Liebe ist nichts greifbares, nichts, das immer gleich ist. Liebe verändert sich stetig. Die Liebe zu meinem Kind ist immer da und gleichzeitig immer anders. Und das ist nicht nur ok, das ist gut. Es ist Raum für Wachstum. Potenzial für mich und mein Kind uns ohne Vorbehalt besser kennen und verstehen zu lernen. Es gibt uns Sicherheit und macht uns frei.

Heute weiß ich, dass es nicht schlimm ist, dass ich nach der Geburt erst einmal Zeit brauchte. Ich war für mein Baby da, habe ihm alles gegeben was er brauchte. Damals habe ich mich schlecht gefühlt, weil ich meinte, dass meine Gefühle für ihn nicht tief genug wären. Heute weiß ich, dass es egal ist, ob man diese Gefühle von Anfang an hat oder sie wachsen lässt. Irgendwann kommen wir alle an den Punkt, an dem wir unser Kind anschauen und uns die Liebe zu ihm überwältigt.

Update

Mittlerweile ist unser Sohn zwei Jahre alt und wenn ich diesen Text lese, dann kommen viele Gefühle wieder hoch. Vor allem das Gefühl, dass es falsch sei. Dass ich falsch war. Ich habe mir so viele Gedanken um dieses Thema gemacht, mich so schlecht gefühlt. Doch was ich schon ein paar Monate nach der Geburt geschrieben habe, trifft heute noch vie mehr zu: Ich liebe meinen Sohn über alles. Manchmal schaue ich ihn einfach nur an und kann mein Glück kaum fassen (und ja, manchmal schaue ich ihn an und möchte mich selbst in Luft auflösen, das gehört für mich ebenso zum Mama-sein dazu 😉 ).

Ich hoffe, dass dieser Text auch anderen Mamas zeigen kann, dass es ok ist, wie es ist. Dass wir keine schlechten Mütter sind, nur weil wir etwas Zeit brauchten alles zu verarbeiten und zu sortieren. Sich selbst diese Zeit zu geben, ist das beste, was man dann machen kann.

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