Forschung mit Babys: Wie geht das eigentlich?

Forschung mit Babys: Wie geht das?
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Nele Hillebrandt

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Forschung mit Babys ist extrem spannend: in einem Alter, in dem sich alles, was uns Menschen ausmacht gerade bildet und man quasi jeden Tag beobachtet, wie sich dieser kleine Mensch weiter entwickelt, gibt es so viel zu entdecken und so viele Erkenntnisse, die gewonnen werden können. Doch leider können Babys uns all dies nicht einfach erzählen. Dass sie uns aber dennoch einiges mitteilen können, zeigen Forscher seit einigen Generationen sehr erfolgreich!

Methoden in der Säuglingsforschung

Ein Säugling erscheint uns auf den ersten Blick eher hilflos und wenig kommunikativ. Wenn wir jedoch genauer hinsehen und ein Baby über einen längeren Zeitraum beobachten, sehen wir, dass dieser Eindruck täuscht: Babys kommunizieren zwar nicht wie wir mithilfe von Worte, nonverbal kommunizieren sie jedoch schon vom ersten Tag an. Sie zeigen Interesse an Dingen, indem sie ihren Kopf zuwenden, schauen manches an und bei anderem weg und manchmal scheinen sie gar aufmerksam zu lauschen. All dies machen Forscher sich zunutze, wenn sie in Erfahrung bringen wollen, was in den Köpfen von Babys vorgeht. Dazu gibt es zwei vorherrschenden Methoden:

1. Präferenzmethode

Bei der Präferenzmethode möchte man herausfinden, welche Reize Babys bevorzugen. Dazu macht man sich zunutze, das Babys Interessantem länger ihre Aufmerksamkeit widmen (sie schauen oder hören also länger hin). Konkret misst man hier also die Zeit, die ein Baby auf einen Reiz schaut oder lauscht und vergleicht dann verschiedene Werte.

2. Habituations-Dishabituations-Paradigma

Image by Lifetimestock.com Dinge, die Babys interessant finden, erhalten mehr Aufmerksamkeit
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Dinge, die Babys interessant finden, erhalten mehr Aufmerksamkeit

Was klingt wie ein Zungenbrecher, ist eigentlich gar nicht so kompliziert: es geht um Gewöhnung (Habituation) und „Entwöhnung“ (Dishabituation). Im Groben macht sich dieses Paradigma zunutze, dass Babys ihre Aufmerksamkeit vermehrt auf neue Reize lenken und bekannten Reizen weniger Aufmerksamkeit schenken.

In Versuchen wird dem Baby zunächst ein unbekannter Reiz präsentiert, auf den es seine Aufmerksamkeit richtet (zum Beispiel über Blickbewegungen), hat das Baby sich an diesen Reiz gewöhn und verliert das Interesse (es schaut weg = Habituation), wird dem Baby ein neuer Reiz präsentiert, der sich am besten nur in einem Detail vom Alten unterscheidet. Ausschlaggebend ist nun, ob das Baby diesem neuen Reiz Aufmerksamkeit schenk (erneutes Hinsehen = Dishabituation) oder nicht: Aufmerksamkeit wird es ihm nur schenken, wenn es diesen Reiz vom vorigen unterscheiden kann. So kann man feststellen, welche Reize Babys unterscheiden können und welche nicht.

Spezialfall: High-Amplitude-Sucking-Methode

Diese Methode ist etwas aufwändiger und umfasst auch einen Abschnitt operanten Konditionierens. Dabei lernt das Baby, dass ihm ein Reiz dargeboten wird, wenn es besonders stark an seinem Schnulli saugt (das Saugen am Schnulli wird über einen Sensor gemessen). So hört es zum Beispiel einen Ton, wenn es besonders stark saugt. Am Anfang, wenn der Ton neu ist, wird das Baby stark saugen um diesen oft zu hören, im Folgenden gewöhnt es sich jedoch an diesen und das Interesse sinkt: das Saugen wird weniger. Dann wird der Reiz gewechselt und das Baby hört einen neuen Ton, wenn es stark saugt, was dazu führt, dass die Kinder wieder stärker am Schnulli saugen.

Mit dieser Methode kann man nicht nur in Erfahrung bringen, welche Reize Kinder unterscheiden können oder besonders spannend finden, sondern erfährt auch etwas über die Lernfähigkeit des Kindes, was sich daran zeigt, wie schnell sich das Kind an einen Reiz gewöhnt und wie schnell es lernt, dass es durch sein Saugen beeinflussen kann, wann ein Reiz dargeboten wird.

Erkenntnisse aus der Forschung mit Babys

Forschung an gerade neugeborenen und sehr jungen Babys zeigt uns vor allem etwas darüber, welche Reize vom Gehirn schon verarbeitet werden und welche nicht.

links: gesichtsähnlicher Reiz rechts: Kontrollreiz
Beispiel für Reize:
links: gesichtsähnlicher Reiz
rechts: Kontrollreiz

Dabei zeigte sich zum Beispiel, dass Babys ein besonderes Interesse an „gesichtsähnlichen Stimuli“ haben, also geometrischen Objekten, die ähnlichkeit mit einem Gesicht haben. Für die menschliche Interaktion ist es von großer Bedeutung menschliche Gesichter voneinander unterscheiden zu können. Bei ihrer Mutter können Babys dies schon vier Tage nach der Geburt (im Vergleich: Mutter – fremde Frau), sofern die Frauen keine (gleichen) Kopftücher trugen. Mit sechs Wochen können die Babys ihre Mutter auch dann von einer fremden unterscheiden, wenn beide Frauen Kopftücher tragen.

Insgesamt zeichnet die Forschung das Bild eines kompetenten Säuglings, der schon viel kann, wenn er auf die Welt kommt und fast täglich Neues dazu lernt. Entgegen vieler Annahmen Piagets zeichnen sich Kinder in diesem Alter nicht vorwiegend durch die Dinge aus, die sie noch nicht können, sondern haben schon viele Kompetenzen, die wir erst jetzt durch neue Forschungsmethoden erkennen können. Forschung an Säuglingen ist ein sehr spannendes Feld, das in Zukunft sicher noch die ein oder andere Überraschung bereit hält.

Literatur:
Bartrip, J., Morton, J., & de Schonen, S. (2001). Responses to mother’s face in 3-week to 5-moth-old infants. British Journal of Developmental Psychology, 19, 219-232.
Cassia, V. M., Simion, F., & Umiltà, C. (2001). Face perception at birth: The role of an orienting mechanism. Developmental Science, 4, 101-108.
Rauh, H. (2002). Vorgeburtliche Entwicklung und frühe Kindheit. In R. Oerter & L. Montada (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (S.443‑468). Weinheim, Basel, Berlin: Beltz Verlage.

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