Mein Trage-Trauma

Mein Tragetrauma Titel
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Nele Hillebrandt

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Als ich schwanger war, stellte ich es mir so schön und einfach vor: Ich und mein Kind unterwegs, das Kind angekuschelt an mich im Tragetuch. Zusammen streifen wir durch Wiesen und Wälder. Er schläft selig oder schaut interessiert in der Gegend herum. Sein wunderbar-weicher Babykopf unter meinem Kinn. So nah. So innig. So harmonisch. Tragen ist Liebe!

Unser Trage-Start

Leider sah mein Baby das ganz anders. Der erste Versuch mit Tragetuch endete damit, dass nicht nur das Baby völlig aufgelöst war, sondern auch die Mama. Ich habe das Binden vorher geübt und in der Theorie erschien es mir auch alles ganz einfach und logisch. Mit strampelndem, schreienden Baby dann leider nicht mehr.

Na gut, dachte ich mir, versuchen wir es mit etwas, das man unkomplizierter Binden kann. Es wurde eine DidyTai, also eine Mai-Tai von Didymos. Wieder übte ich zunächst trocken, ohne Baby. Das Binden war wirklich kinderleicht und ich hoffte, dass der Babyjunge, wenn er denn schnell „eingebunden“ wäre die Liebe fürs Tragen entdeckte.

Der erste Versuch zeigte jedoch, dass das Baby partout nicht wollte. Zu eng. Zu warm. Zu was-weiß-ich-nicht. Aber Tragen ist doch Liebe! Ach Baby, ich will doch so gerne!

Bloß nicht aufgeben!

Und weil ich unbedingt will, gebe ich nicht auf. Wie beim Stillen. Das nächste Mal binde ich so schnell ich kann, werfe uns schnell eine Jacke über und stapfe los. Dabei hüpfe ich fast durch die Gegend und mache laute Zisch-Laute beim ausatmen. Einatmen, „Schhhhhhhhhh“, einatmen, „Schhhhhhh“. Ich höre mich an wie eine Dampflock und sehe wahrscheinlich aus wie Rumpelstilzchen. Nur mit dem Buckel auf der Brust.

Es vergehen Minuten, die mir wie Stunden erscheinen. Und dann: Stille. Vorsichtig luschere ich nach unten. Das Baby schläft. Der Mund geöffnet, die Sabber läuft mir ins Dekolleté. Es schläft! Ich bin glücklich. Verliebt. Beschwingt. Tragen ist Liebe!

Einige Wochen geht es so. Schreiendes Baby beim Binden. Einschlafen und „Schhhhh“ und durch-die-Gegend-Hüpfen. Die Spaziergänge sind toll. So wie ich es mir vorgestellt habe und schöner. Ich bin mobil und komme überall lang. Muss nicht schauen, dass die Wege befahrbar sind. Kann auch über Baumstämme „hüpfen“.

Wir stapfen gemeinsam durch den Schnee. Wärmen uns gegenseitig. Das Baby schläft und ich entspanne.

Das Ende des Tragens

Doch das Baby wird größer. Wächst. Ist länger wach. Will weniger Schlafen. Ich muss immer länger „Schhhhhh“ machen und durch die Gegend hüpfen. Die Stille im Wald wird jetzt oft durch das Schreien eines Babys gestört. Ich gehe nicht mehr gerne spazieren.

Tag X

Das Baby schreit im Tuch wie wahnsinnig. Ich kann mir vorstellen, dass es sich wie in einem Gefängnis fühlt. Denn so fühle ich mich. Im Winter mit Baby im Tuch. Ich kann es nicht einfach heraus nehmen und im Arm wiegen. Es ist bitterkalt und wir teilen uns eine Jacke. Das Baby schreit mich an und ich bin verzweifelt.

Zuhause angekommen werden Mama und Baby befreit, das Tuch in die Ecke geschmissen. Das Baby beruhigt sich.

Danach

Nach diesem Tag versuchen wir es noch ab und zu mal. Aber die Angst geht jetzt mit. Sie klebt mir an den Fersen und sobald das Baby unruhig wird, drehe ich um. Tragen ist Liebe. Doch das Baby sieht das anders.

Immer mal wieder holen wir den Kinderwangen aus der Garage. Das Baby liegt im Wagen, schaut sich interessiert um und schläft beim Fahren ein. Es gibt kaum Geschrei und wenn doch, dann kann ich das Baby auf den Arm nehmen. Es wiegen und halten. Dabei beruhigt es sich immer. Immer öfter lassen wir das Tuch Zuhause und nehmen dafür den Kinderwangen.

Nun müssen wir auf den Wegen bleiben. Ich bin meinem Baby nicht mehr so nah, wie ich gerne wäre. Fühle nicht mehr, wie sein Köpfchen vor Müdigkeit gegeben mein Dekolleté sackt. Vielleicht habe ich es falsch gemacht. Das falsche Tuch. Falsch gebunden. Tragen ist doch Liebe.

Vielleicht ist aber auch einfach jedes Baby anders. Und meins fühlte sich in der Enge erdrückt.

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